„Ich kann das nicht, mach du. Du hast das gelernt!“ Diesen Satz höre ich oft, wenns ums Schreiben geht. Dabei kann jeder und jede schreiben – davon bin ich überzeugt. Es braucht oft nur ein bisschen Zeit und die richtigen Impulse, um die Wörter tanzen zu lassen.
Die Gründe, die uns vom Schreiben abhalten, sind ganz unterschiedlich. Doris Dörrie, die echt gut schreiben kann, bringts in ihrem Buch „Leben.Schreiben.Atmen“ auf den Punkt. Vielleicht kommt euch der eine oder andere Satz bekannt vor?!
Ich bin zu blöd. Ich bin zu uninspiriert. Ich bin nicht originell genug. Mein Leben ist nicht interessant genug. Wenn soll das interessieren? Ich kann einfach nicht schreiben und konnte es noch nie! Ich habe Angst, dass andere blöd finden, was ich schreibe. Es ist mir peinlich. Ich habe Angst, andere zu verletzten oder zu beleidigen. Mir fällt sowieso nichts ein. Was wird meine Mutter sagen, wenn sie das liest?
Vielleicht kommt euch der eine oder andere Satz bekannt vor? Fürs Schreiben ist das nicht hilfreich. Doris Dörrie sagt dazu: Ich will gar nicht originell, inspiriert oder besonders toll sein – ich will nur die eigene Schatzkiste öffnen, Erinnerungen herausholen, ans Tageslicht bringen, abstauben und betrachten. Sie pfeift dabei auf Scham, Angst, Selbstzweifel und Rechtschreibregeln. Schreiben ist wie atmen, es geht immer weiter.
Und eigentlich schreiben wir doch ständig irgendetwas Biografisches auf. Als ich einmal zu Silvester in einer Freundesrunde einen gemeinsamen Jahresrückblick anregte, kam Michael (kein Profischreiber, ein Lokführer) mit seinem Kalender daher. Hier hatte er besondere Momente und Vorkommnisse des Jahres notiert. Vom Wetter angefangen über Kindersachen bis zu politischen Ereignissen. Bei der Rückschau half das enorm. Und auch sonst kann man sich damit die wertvollen Momente im Leben bewusst machen und abspeichern. Viele verwenden dafür ihren Papier-Kalender – deshalb mag ich die auch immer noch mehr als die digitalen Kalenderformen.
Oder eine handgeschriebene Einkaufsliste. Die sagt doch auch schon viel über uns aus. Im ersten Lockdown habe ich für meine Eltern eingekauft, nachdem sie mir ihre Liste geschickt haben. Ich habe in dieser Zeit viel Neues über sie erfahren, etwa dass mein Papa am Abend am liebsten Toast isst (deshalb musste ich viel Schinken und Käse einkaufen) oder dass er seinen Tee und vieles mehr mit Honig süßt (fast jede Woche stand ein Glas Honig auf der Einkaufsliste).
Tagebuch, ein Ort für Schreibexperimente
Der vertrauteste Ort für biografischen Schreibens ist das Tagebuch. Im schönen, oft abschließbaren Büchlein schreiben wir so biografisch und authentisch wie sonst kaum irgendwo. Wenn man als Biografin auf Tagebuch-Texte zurückgreifen kann, ist das eine besondere Freude. So pur und unmittelbar können die Erlebnisse danach nie wieder beschrieben werden.
So ein Tagebuch hat viele Funktionen. Man bewahrt Erinnerungen an wichtige Ereignisse auf, und schreibt sich vor allem seine Gedanken und Gefühle von der Seele, um sie vielleicht später zu reflektieren. Ein Tagebuch bringt aber auch Schreibroutine und bietet Platz für schreiberische Experimente. Man kann neue Textformen ausprobieren, dichten, mit der Sprache spielen, Wörter ganz neu ordnen … und das alles ganz geheim, wenn man das möchte.
„Ich reise niemals ohne mein Tagebuch. Man sollte immer etwas Aufregendes zu lesen bei sich haben“ (Oscar Wilde)
Schreibidee süß-sauer
Probiert es doch gleich selbst aus: Macht in einem Brainstorming eine Liste von Musikstücken/Songs, die ihr immer wieder in eurem Leben gehört habt oder hört. Greift einen dieser Songs heraus und schreibt dazu frei 5 Minuten lang.
Ich habe keine Zeit fürs Schreiben! Auch diesen Satz höre ich oft. Aber vielleicht habt ihr es ja längst getan und hier und da etwas in ein Notizbuch geschrieben, in den Kalender gekritzelt oder eine To-do-Liste verfasst. Das kann schon ein Brainstorming sein für die ersten biografischen Texte. Oder ihr habt bereits diese Schreibidee ausprobiert und gesehen, wie schnell ein biografischer Text entsteht!
Wer gerne schreiben möchte, sollte sich seine Erinnerungen vornehmen. Die Erinnerungen an das eigene Leben sind ein guter Einstieg fürs Schreiben. Das biografische Schreiben mit seinen kreativen Methoden eignet sich deshalb sowohl für Einsteiger*innen als auch für Fortgeschrittene, um in einen inspirierenden Schreibfluss zu kommen.
In Workshops für biografisches Schreiben bekommt ihr Zeit und Impulse fürs Schreiben. Wir nähern uns dabei langsam dem Thema an, sammeln Gedanken und Ideen, holen Erinnerungen hervor, schreiben Geschichten auf, um sie wieder zu Gedichten zu verdichten. Spielerisch und leicht.
Mehr über mich, mein Leben und meinen Werdegang findet ihr hier!
Ich bin aber auch sehr neugierig. Was fasziniert euch am Schreiben? Habt ihr das biografische Schreiben schon ausprobiert? Was sind die süß-sauren Momente in eurem Leben? Und wer weiß ein gutes Rezept für Ribiselkuchen? 😉