Wortspiel. Wortwitz. Wortkunst. Diesen Schreibworkshop mit Bestseller-Autorin Hera Lind im Bildungshaus Schloss Puchberg wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Auch sie hat sich echten Lebensgeschichten verschrieben, aus denen sie Tatsachenromane strickt. Alles Bestseller! Das ist schon sehr beeindruckend. Aber noch viel beeindruckender ist die Frau selbst. Sie versprüht positive Energie und Lebenslust wie ein Sternspritzer am Christbaum (Achtung, bildhafter Vergleich! Das habe ich in ihrem Kurs gelernt.) Für eine gelernte Journalistin war das blumige Romanschreiben voll von sinnlichen Adjektiven ein bisschen wie verkehrte Welt zu spielen. Es hat mir großen Spaß gemacht und ich habe viel gelernt. Hera Lind hat mir außerdem ein Interview gegeben und verrät ihre Lieblings-Schreibübung. Hier kommt’s:
„Loslassen! Bloß keine Hemmungen haben vor dem ersten weißen Blatt! Der Respekt vor dem eigenen Anspruch darf nicht die Schreibfreude überdecken!“
(Hera Lind)
Mein Blog heißt Leben süß-sauer (so wie eine Ribisel schmeckt – also eine rote Johannisbeere für die Deutschen). Was war in deinem Leben der süßeste und was war der sauerste Moment?
Da gab es unzählige, aber die vier süßesten Momente waren natürlich jene, als mir mein jeweils frisch geborenes Baby auf die Brust gelegt wurde! Sauer waren jene Momente, wo ich voll des Lampenfiebers und mit dem Drang zu sterben eine Bühne betreten habe, und natürlich die Trennung vom Vater meiner Kinder.
Ich liebe Liebesgeschichten, sie sind für mich stets ein Höhepunkt in der Biografiearbeit. Wie siehst du das?
Liebesgeschichten sind das Salz in der Geschichtensuppe! Ich bin immer verliebt in die jeweilige Liebesgeschichte und empfinde all das Herzklopfen, die Sehnsucht und das tiefe Glück beim Schreiben nach.
Und meine Lieblingsfrage auch an dich: Wie und wo hast du dich in deinen Mann verliebt?
Mein Mann war Hoteldirektor auf dem „Traumschiff“, bekannt aus der Fernsehserie im ZDF. Es war wirklich genau DAS Schiff, und er hatte die echte Uniform an, mit vier Streifen! Kitschiger geht es fast nicht mehr. Er forderte mich, damals Star-Gast im Entertainment, zum Walzer tanzen auf und wir schwebten durch den Saal… Nur das Zurückkommen in den damaligen Alltag war ein herber Knall. Die Bild-Zeitung war uns schon zuvorgekommen und hatte ein Bild veröffentlicht, auf dem wir Hand in Hand durch Bombay gehen. Danach musste sich beweisen, ob unsere Verliebtheit von Dauer ist.
Du bist eine Vielschreiberin – wie viele Romane sind es mittlerweile?
Ich beginne gerade mit dem 42. Roman insgesamt, das ist der 22. Tatsachenroman – wieder eine wunderbare Liebesgeschichte über eine Frau, die im Rollstuhl sitzt, und den Mann, der immer zu ihr gehalten hat.
Wie schaut dein Tagesablauf aus, um das Schreibpensum zu schaffen?
Ganz wichtig sind mir zwei Sport- und Bewegungseinheiten pro Tag. Vor dem Schreiben eine Stunde Pilates oder Joggen und nach dem Schreiben eine Stunde Laufen oder Tischtennis. Da wir hier in meiner Romanwerkstatt Schreibseminare geben, haben wir die Tischtennisplatte im Seminarraum stehen. Kein Wetter hält uns also davon ab! Dann gehen sich sechs Stunden Schreiben super gut aus.
Was machst du bei Schreibblockaden – oder gibt’s das in deinem Leben nicht?
Ehrlich gesagt nicht. Ich hatte und habe viele Blockaden, zum Beispiel muss ich mich immer wahnsinnig überwinden, jemanden anzurufen (und damit Hausfriedensbruch zu betreiben!). Aber mit dem Schreiben störe ich ja niemanden. Das geht immer.
Deine Romane basieren auf echten Lebensgeschichten – und dadurch werden sie für mich noch viel spannender! Ist das Leben einfach viel besser als jede Fantasie?
Letztlich macht es die Mischung. Die Einsender*innen schicken mir die Zutaten, also ihre Lebensgeschichten, und was ich dann mit meiner Fantasie daraus mache, das sind die Gewürze. So werden die Tatsachenromane alle zu Bestsellern.
Du bekommst ständig Lebensgeschichten zugeschickt. Wie suchst du jene aus, aus denen Romane werden?
Manchmal komme ich mit dem Lesen und Sichten gar nicht mehr nach. Zurzeit erreichen mich täglich mindestens 5, wenn nicht deutlich mehr Einsendungen. In den Phasen, in denen ich nur lese, schaffe ich je nach Tauglichkeit, Umfang und Leserlichkeit etwa genauso viele. Ich beantworte sie ja auch alle sehr wertschätzend selbst. In Zeiten, in denen ich schreibe, lege ich die Einsendungen beiseite und der Einsender, die Einsenderin bekommt einen Standard-Brief: Bitte gedulden Sie sich noch ein wenig.
Wie eng ist der Kontakt mit den echten Protagonisten?
Sehr eng. In Zeiten des Schreibens und Schaffens telefonieren wir täglich (oder mailen, was mir lieber ist), und sie bekommen immer den Zwischenstand zu lesen. Manchmal gibt es auch längere Diskussionen, nämlich dann, wenn ich meiner Fantasie stärkeren Lauf lassen möchte und die Protagonistin darauf beharrt: „So war das aber nicht!“ Dann muss ich entscheiden zwischen den Ansprüchen meiner Leser*innen, die hochgradig Spannung und einen durchgehenden roten Faden von mir erwarten (dürfen), und dem Respekt vor der Protagonistin, die möchte, dass das Auto ihres Vaters eben grau war und nicht rot. Bis jetzt haben wir immer den perfekten Kompromiss gefunden.
Wie sehr dürfen sie korrigierend eingreifen?
Ich würde es nicht „korrigierend“ nennen, das hört sich oberlehrerhaft an. Nein, wie gesagt, ich möchte manchmal zugunsten des Tempos, der Spannung, der Wiedererkennung von Romanfiguren auch Nebenfiguren streichen oder zu einer zusammenfassen. Wenn dann die Protagonistin darauf besteht, dass sämtliche Nebenfiguren wie zum Beispiel ihre Freundinnen genauso geschildert werden (weil diese das dann ja auch lesen!), wird es mühsam. Ein Roman muss Freiheiten ertragen können, Unwichtiges muss wegbleiben dürfen und Wichtiges auch noch mehr herausgearbeitet. Dazu gehören für mich auch Bilder wie das rote Auto eines narzisstischen Vaters. Ein graues Auto passt einfach nicht in dieses Bild.
In deiner Schreibwerkstatt (www.heralind.com/schreibseminar) lernt man, wie man spannend und unterhaltsam übers Leben schreibt. Was ist dein wichtigster Tipp?
Loslassen! Bloß keine Hemmungen haben vor dem ersten weißen Blatt! Der Respekt vor dem eigenen Anspruch darf nicht die Schreibfreude überdecken! Das ist wie beim Joggen: Erstmal loslaufen, dann spürt man schon, welches Tempo gut für einen ist und wohin die Strecke einen führt. Wir laufen ja alle nicht auf Anhieb einen Marathon vor zwei Millionen Zuschauern!
Welche Schreib-Übung machst du besonders gern mit deinen Schreibschüler*innen?
Die Dialog-Übung! Sie ist so simpel und zeigt doch so brillant, welche Möglichkeiten in der wörtlichen Rede und der gleichzeitigen Beschreibung der Atmosphäre liegen! Die funktioniert auch gut als Rollenspiel. Und das ist das Geheimnis des lebendigen Schreibens: Versetze dich immer in die Rolle dessen, der gerade spricht. Schlüpfe in seine Haut. Dann tun es die Leser*innen auch.
Schreibidee süß-sauer
Die Dialog-Übung von Hera Lind ist auch ihr Tipp für den Einstieg in eine Geschichte. Man beginnt mit wörtlicher Rede. Dann beschreibt man, was der/die Sprecher*in macht und eventuell wie er/sie aussieht. Ein anderer antwortet (wieder wörtliche Rede) und man beschreibt die Figur ohne „sagte sie“ oder „antwortete er“. Auf diese Art und Weise ist man gleich mittendrin im Geschehen.
Hier kommt mein Dialog-Einstiegs-Versuch aus dem Workshop:
„Du weißt aber schon, dass man mit Pfeil und Bogen nicht auf Menschen zielt.“ Halb vorwurfsvoll, halb besorgt schaut Claudia zu ihrem Sohn hinüber, der neben dem Rucksack kniet und versucht, alles hineinzustopfen. „Ja, Mama! Das hast du mir schon tausendmal gesagt. Wir schießen nur auf eine Zielscheibe.“ Der blonde Lockenkopf verdreht genervt die Augen Richtung Decke und strahlt im nächsten Moment schon wieder seine Mama an, um ihr zu signalisieren: Wir können los!
Mehr über mich, meine Leben und meinen Werdegang findet ihr hier!
Ich bin aber auch sehr neugierig. Was fasziniert euch am Schreiben? Habt ihr das biografische Schreiben schon ausprobiert? Was sind die süß-sauren Momente in eurem Leben? Und wer weiß ein gutes Rezept für Ribiselkuchen? 😉