1782 – kein Problem! Wie eine Detektivin macht sich Gerlinde Fichtinger auf die Suche nach den Ahnen

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Spannende Spurensuche in der Vergangenheit

Ahnenforschung ist ein faszinierendes Thema! Wie kommt man zu all den Daten über Menschen, die schon 100 oder mehr Jahre nicht mehr auf der Welt sind. In den Biografien, die ich schreibe, verwende ich nur jene Daten, die vorhanden sind. Je nachdem, wie intensiv in der Familie bereits geforscht wurde, geht der Stammbaum weiter oder nicht so weit zurück.

Wer mehr über seine Vorfahren wissen möchte, beauftragt eine Ahnenforscherin. Wie zum Beispiel Gerlinde Fichtinger aus Linz. Sie betreibt schon seit 25 Jahren Ahnenforschung und hat 2001 in der Akademie für Volkskultur die Ausbildung zur Heimatforscherin gemacht. Wie es dazu kam, wie sie vorgeht und welche Tipps sie für uns Hobby-Forscher:innen hat, habe ich sie bei einem Gespräch gefragt:

Mit Ahnenforscherin Gerlinde Fichtinger im Gespräch

Wie kam dein Interesse für die Ahnenforschung?

Wie die meisten hatte auch ich Dokumente zu Hause, die ich nicht lesen konnte. Das ärgerte mich. Zum Beispiel waren das Abschriften des Ariernachweises meiner Mutter. Dann brachte mein Sohn eine kostenlose CD-ROM für Ahnenforschung nach Hause, installierte das Programm und ich begann, die ersten Daten einzutragen – doch auch hier stand ich irgendwann an. In der Zeitung las ich, dass man sich im Landesarchiv auf die Suche machen kann. Dort lernte ich sehr nette Menschen kennen …

… und dann wurdest du selbst Ahnenforscherin?

Hans Pammer leitete zu dieser Zeit das Volksbildungswerk und war dabei, einen Kurs für Heimatforschung zu entwickeln. Er meinte, das wäre etwas für mich – also habe ich mich angemeldet. Und ich erinnere mich gut an den Beginn im Ahnensaal in Weinberg, lauter ältere Herren, die schon viel mehr Erfahrung hatten, und ich. Dennoch habe ich als erste mein Buch abgegeben und die mündliche Prüfung bestanden. Mein erstes Werk war die Chronik der Familie Fichtinger von 1740 bis 2001.

Später hast du selbst Kurse gehalten?

Ich habe zuerst im Kurs das Ahnenforschungs-Programm vorgestellt, mit dem ich arbeite. Das gibt es heute nicht mehr. 25.000 bis 30.000 Personen habe ich darin schon verzeichnet. Ich habe auch Seminare über Ahnenforschung gehalten in Puchberg, Schlierbach und im Wissensturm in Linz. Aus dem Skriptum wurde das Glossar für Heimat-, Haus- und Familienforschung, herausgegeben vom OÖ. Forum Volkskultur. Das enthält lauter Begriffe, die in schriftlichen Archivalien und Dokumenten vorkommen.

Welche Begriffe muss man als Ahnenforscherin kennen?

Das sind alte Bezeichnungen und lateinische Begriffe. Die lernt man nach und nach kennen. Und man muss natürlich Kurrentschrift lesen können.

Glossar für Heimat-, Haus- und Familienforschung, verfasst von Gerlinde Fichtinger

Wie arbeitet eine Ahnenforscherin?

Für wen machst du Ahnenforschung?

Ich werde von Familien beauftragt, die wissen möchten, wo sie herkommen. Am Ende steht eine schriftliche Arbeit. Zwölf Bücher habe ich schon gemacht – das dreizehnte wird gerade fertig. Zwei Jahre Forschung, ein Jahr schreiben. Damit muss man rechnen. In den Büchern beschreibe ich, was ich herausgefunden habe, und belege alles mit Dokumenten und Verträgen, ich beschreibe Ortschaften, woher die Menschen sind. Da findet man auch im Internet – und unter seriösen Quellen – sehr viel.

Was ist das Faszinierende daran?

Es ist Detektivarbeit und man muss riesig neugierig sein. Mich interessiert jede Familiengeschichte wie die eigene. Ich komme da richtig in einen Tunnel und tauche tief in jede Geschichte ein. Ich bin jetzt in Pension und habe mehr Zeit. Vier bis fünf Stunden am Tag arbeite ich normalerweise für die Ahnenforschung.

Was war dein bisher größtes Projekt?

Eine Familie Wall, bei der ich 1500 Personen erfasst habe. In dieser Geschichte ist alles, was sich eine Heimforscherin wünscht: Auswanderer, Schlossbesitzer, Rebellen – einfach großartig.

Wie kann man sich die Recherchearbeit vorstellen?

Ich habe zum Beispiel über meinen Onkel recherchiert. Er ist aus dem Krieg nicht nach Hause gekommen und meine Oma wollte ihn immer finden. Da kann man beim Roten Kreuz beginnen, hier wurden Heimkehrer befragt und die Informationen mit dem Kampfgeschehen verbunden. Das Boltzmann-Institut dagegen arbeitet mit Original-Unterlagen vom Krieg – das sind genaue Aufzeichnungen über Kriegsgefangene. Ich kam über Archive in Litauen zu Informationen aus Russland. Dabei habe ich herausgefunden, dass mein Onkel festgenommen wurde und verletzt war. Er kam in ein Sonderspital in Kaunas in Litauen, ich bekam die Arztbefunde aus Russland, die ich übersetzen ließ.

Was bringt es, das alles zu wissen?

Mein Onkel war nicht einmal 19 Jahre alt, als er starb. Und wir wussten nichts darüber. Aber man kann nicht einfach verschwinden von dieser Welt, es muss einen Abschluss geben. Meine Tante – also seine Schwester – ließ den Namen noch auf dem Grabstein eingravieren, das war für unsere Familie wichtig. Unsere Ahnen gehören zu uns, deshalb ist es wichtig zu wissen, was sie erlebt haben. Allerdings kommt man bei der Recherche nicht immer zu angenehmen Ergebnissen, manchmal können diese auch schockierend sein.

Wie beginnt man am besten?

Am besten man beginnt mit den Schachteln und Mappen, die man zu Hause auf dem Dachboden oder im Keller hat. Diese haben oft keine Bedeutung, erst wenn ich nachfrage, wird es interessant. In vielen Familien gibt es Informationen bis zu den Großeltern und Urgroßeltern. Ab dann wird es für mich spannend. Ich habe schon ein Gespür dafür entwickelt, wo ich weiterforschen kann.

Wo man suchen und nachfragen kann

  • Zuerst sollte man die ganze Verwandtschaft befragen, je früher, desto besser. Diese Informationen kann man als Anhaltspunkt nehmen. Viele ältere Menschen wissen noch, wohin jemand geheiratet hat, den Hausnamen oder ähnliches.
  • Die Kirchenbücher (Matriken) sind eine gute Quelle, in Oberösterreich, Wien oder Niederösterreichs sind sie schon zur Gänze digitalisiert – auch in Tschechien kann man suchen, teilweise auch in Deutschland – hier muss man manchmal bezahlen.  Geforscht werden kann bis zum Anfang der Matrikenbücher – 1580 oder 1650 – das ist je nach Gemeinde unterschiedlich.
    Heute findet man in den Matrikenbüchern weniger Informationen als zwischen 1800 und 1900. Damals wurden auch Herkunft der Eltern und Großeltern, Hausname, Adressen etc. eingetragen. Bis 1700 ist es gut nachvollziehbar, noch früher kann es unsicher werden, da gibt es nur dürftige Informationen. Grundsätzlich gilt: Der Pfarrer schrieb auf, was ihm erzählt wurde.
  • Herrschaftsprotokolle sind deshalb eine noch bessere Quelle. Man bekommt sie als Mitglied von Familysearch (kostenlose Anmeldung). Das ist ein Projekt der Mormonen, die weltweit Daten sammeln. Darauf kann man sich verlassen: Wann ist jemand gestorben, wo war er ansässig, Hausname, Witwe, die Erben und deren Alter, zuerst die Söhne nach Alter, dann die Töchter mit Namen der Ehegatten.
  • DORIS (Digitales Oberösterreichisches Rauminformationssystem) ist ebenfalls ein hilfreiches Recherchewerkzeug. Hier findet man genaue Orte, Häuser und Häusergeschichten, Besitzer und die Übergabe. DORIS ist für alle zugänglich.
  • Familia Austria – auch über diesen Verein erhält man viele Zugänge, besonders für den Altösterreichischen Raum. Das Ziel des Vereins ist, Ahnen- und Familienforschung auf dem Gebiet der alten Habsburgermonarchie zu fördern. Eine Mitgliedschaft kostet 42 Euro pro Jahr.
  • Anno ist das Archiv für historische Zeitungen und Zeitschriften in der Österreichischen Nationalbibliothek.
  • Im Landesarchiv OÖ findet man alles über die Landesgeschichte, Urbare (Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft und zu erbringende Leistungen ihrer Untertanen) und Grundbücher, Verträge dazu, Handwerkerarchive.
  • Stadtarchiv Linz bietet die Geschichte von Linz, von den Bewohnern und vieles mehr.
  • Vermisstenlisten aus den Weltkriegen
  • Archive in Pfarren und Schulen

„Man kann nicht einfach verschwinden von dieser Welt, es muss einen Abschluss geben.“

Gerlinde Fichtinger, Ahnenforscherin

Gut zu wissen!!!

  • Die Daten in den Kirchenbüchern sind 100 Jahre ab der Taufe, 75 ab der Hochzeit und 30 Jahre ab dem Tod gesperrt.
  • Babys wurden oft sofort nach der Geburt getauft, Tauf- und Geburtsdatum waren oft gleich. Hebammen durften nottaufen – das wird dann mit dem Namen oder als frauengetauft angegeben.
  • Wenn die Frau oder der Mann starb, heiratete der Bauer/die Bäuerin oft noch einmal. Oft auch mit gleichem Namen. Da braucht man viel Erfahrung und muss immer wieder nachprüfen, ob der Weg stimmen kann.
  • Wenn man über Personen nichts mehr findet, sind das oft ledige Kinder. Joseph II (Kaiser von 1765 bis 1790) hat bestimmt, dass ledige Kinder nur mehr auf Wunsch des Vaters eingetragen werden.
  • Archivare helfen gern weiter, Gemeinden haben meist kein Personal für größere Recherchen.
  • In den Zeitungen wurden früher Namen, Alter und Adressen angegeben. Das kann sehr hilfreich sein.

Mehr über mich, meine Leben und meinen Werdegang findet ihr hier!

Ich bin aber auch sehr neugierig. Was fasziniert euch am Schreiben? Habt ihr das biografische Schreiben schon ausprobiert? Was sind die süß-sauren Momente in eurem Leben? Und wer weiß ein gutes Rezept für Ribiselkuchen? 😉

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